Sven Tetzlaff betonte in seiner Einführung die prägenden Erfahrungen des Exils für Herbert und Elsbeth Weichmann, die die Gründung der Stiftung zur Folge hatten. In der Veranstaltungsreihe mit Susanne Wittek stand an diesem Abend das Schicksal von Rosa Schapire und die Kunst im Vordergrund.
Rosa Schapire (1874 – 1954) lebte von 1905 bis 1939 in Hamburg. Die aus Galizien stammende promovierte Kunsthistorikerin engagierte sich früh für die expressionistischen Künstler der Brücke, vermittelte deren Werke an Galerien, Käufer und Museen und machte sie in Aufsätzen, Ausstellungsbesprechungen und Rezensionen bekannt.
Als Frau war sie im expressionistischen Milieu eine Ausnahmeerscheinung: Sie war weder Muse noch Modell noch Ehefrau, sondern sie stand den Künstlern unabhängig und aktiv gegenüber. Aus dem beruflichen Interesse entstanden enge Freundschaften, die Künstler dankten ihr für ihren Einsatz mit Bildern, Grafiken und Schmuck. 1939 besaß Rosa Schapire eine Sammlung von mehr als sechshundert Werken. Einen Sonderplatz nahmen darin über hundert Postkarten ein, die sie im Laufe der Jahre von den Künstlern erhalten hatte: persönliche Grüße, private Nachrichten, illustriert durch Kunstwerke auf kleinster Fläche. Eine besonders enge Freundschaft verband sie mit Karl Schmitt-Rotluff. Auf ihn konzentrierte sich schließlich ihre Vermittlungsarbeit.
Rosa Schapire lebte als freie Kunsthistorikerin von kunstgeschichtlichen und gesellschaftspolitischen Publikationen, Vorträgen und Übersetzungen. Sie führte – ihrer Zeit weit voraus – ein selbstbestimmtes, allein ihren Idealen verpflichtetes Leben. In ihren Schriften setzte sie sich konsequent für die Rechte von Frauen ein. Eine Chance auf Gleichberechtigung der Geschlechter sah sie ausschließlich in einer nach sozialistischen Grundsätzen organisierten Gesellschaft.
Als sie 1935 die Entfernung moderner Kunst aus deutschen Museen kritisierte, wurde sie von den Nazis an ihrer Berufsausübung gehindert. Wegen ihrer politischen Haltung und ihrer jüdischen Herkunft geriet sie zunehmend in Gefahr. Sie floh 1939 kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges nach London. Dabei gelang es ihr, einen bedeutenden Teil ihrer Schmitt-Rottluff-Sammlung und ihr Konvolut von Künstlerpostkarten nach England auszuführen. Im Exil konnte sie sich erneut mit Übersetzungsarbeiten, Ausstellungsbesprechungen und Vorträgen über Wasser halten. Später kamen wissenschaftliche Forschungen hinzu. Eine 1953 beantragte Entschädigung für die nationalsozialistische Verfolgung kam ihr nicht mehr zugute, da sie 1954 starb – bei einem Besuch der Tate Gallery, unweit eines Gemäldes von Schmitt-Rottluff, das sie dem Museum gestiftet hatte.
Katharina Schütz las aus den Briefen von Rosa Schapire. Sie illustrierten eindrucksvoll das Wesen von Rosa Schapire und die Situation im Exil und während der NS-Zeit.
Im Gespräch mit den beiden Schapire-Experten Leonie Beiersdorf und Prof. Dr. Dr. Gerd Presler beleuchtete Susanne Wittek (Agentur Initiative Literatur) Rosa Schapires Vertreibung aus Deutschland und dass sie es schaffte, einiges an wertvollen Kunstgegenständen und Gemälden nach England zu schaffen. Besonders beeindruckend waren die detaillierten Kenntnisse aller drei über das Leben und Arbeiten Rosa Schapires in Deutschland und in England.
Wie begeistert das Publikum war, zeigte der langanhaltende Applaus zum Ende. Der Audio-Mitschnitt (siehe unten) gibt allen, die nicht live dabeisein konnten, die Gelegenheit, sich dieses interessante Gespräch anzuhören.
In Kooperation mit der Körber-Stiftung. Die Veranstaltung fand im KörberForum – Kehrwieder 12, 20457 Hamburg statt.
Mitschnitt der Veranstaltung: