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Pressefreiheit in der Türkei: Wenn Journalisten zu Terroristen erklärt werden

24. Juni 2021 - 19:00 Uhr

Das Leben eines Exiljournalisten

Seit dem Jahr 2016 befindet sich der türkische Journalist Can Dündar im Exil. Für ihn eine Zerreißprobe. Sie bedeutet immer wieder in Kontakt zu treten mit seinem Publikum, seiner Leserschaft in der Türkei. Dündar versucht immer wieder, denen eine Stimme zu geben, die keine Stimme haben. Und den Menschen in Deutschland zu erklären, was in der Türkei passiert. Für ihn selbst ist dies eine schwierige Situation. „Es geht nicht nur darum, über etwas zu schreiben, denn wir verlieren unser Land. Es ist so schwer, dieses Gefühl in Worte zu fassen. Man ist nicht zuhause, man ist nicht in seinem Heimatland und sieht doch, wie es brennt. Und dann muss man was tun. Und das, was man tun kann, ist zu schreiben, zu reden, zu schreien, im Grunde aus der Ferne. Sie können diesen Brand nicht löschen, Sie können das Wasser nicht selbst dort hintragen, es ist in einem anderen Land. Sie können also nur schreien. Um Hilfe schreien. Und das ist genau das was ich tue. Ich bitte um Hilfe. Ich schreie in die Welt und bitte um Hilfe“, so Can Dündar.

Vor seinem Exil trat Can Dündar 2016 von seinem Amt als Chefredakteur der regierungskritischen Tageszeitung „Cumhuriyet“ zurück, nachdem er 2015 wegen seines Berichts über den illegalen Waffentransfer des türkischen Geheimdienstes nach Syrien der Spionage beschuldigt und verhaftet wurde und drei Monate im Gefängnis verbrachte. Vor der Urteilsverkündigung wurde ein Attentat auf ihn verübt, die Schüsse verfehlten ihn. Nachdem das Urteil nicht rechtskräftig war, wurde Can Dündar im Jahr 2020 in Abwesenheit wegen angeblicher Spionage und Unterstützung des Terrorismus zu mehr als 27 Jahren Haft verurteilt.

Bei der Veranstaltung „Pressefreiheit in der Türkei: Wenn Journalisten zu Terroristen erklärt werden“, die in Kooperation von der Körber-Stiftung, der Süddeutschen Zeitung und der Herbert und Elsbeth Weichmann-Stiftung organisiert wurde, sprach Can Dündar mit dem SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach offen über sein Leben als Journalist in der Türkei und sein jetziges Leben im Exil in Deutschland.

Journalist in einem Land wie der Türkei, zu sein, sei gefährlich und risikobehaftet. Dies bestätigt nicht nur die Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen, in dem die Türkei auf Platz 153 von 180 rangiert. Immer mehr Journalistinnen und Journalisten würden in der Türkei öffentlich als „Terroristen“ bezeichnet oder aufgrund von sogenannter terroristischer Propaganda zu Haftstrafen verurteilt. Dies betrifft vor allem unabhängige oder oppositionelle Medien, die die Regierung kritisieren. Was das mit den Medienschaffenden und dem Mediensystem in der Türkei mache, ist von enormer Bedeutung. Aufgrund der staatlichen Kontrolle von 95% der Medien in der Türkei, würden die Sozialen Medien immer wichtiger, um sich uneingeschränkt informieren zu können.

Journalistinnen oder Journalisten, die nach der Wahrheit suchen, erleben jedoch nicht nur Einschränkungen für sich selbst, sondern auch für Freunde und Familie. Ein falsches Wort könne auch sie in Gefahr bringen, auch wenn es aus dem Exil stamme. Richtig frei sei man nie als Journalistin oder Journalist aus bestimmten Ländern. Dies gilt auch für Can Dündar. Doch er gibt nicht auf und kämpft auch aus dem Exil für sein Heimatland.

Das Gespräch, das neben dem Leben als Journalist im Exil auch den Verlauf der Politik in der Türkei behandelt, können Sie sich hier ansehen.

Can Dündar Copyright Claudia Höhne
Can Dündar (Foto: Claudia Höhne)