„Ich denke, wir sind es denjenigen, die von Hitler verfolgt und vertrieben worden sind und die Widerstand geleistet haben, schuldig, dass wir ihr Schicksal in Erinnerung behalten. Zu denen gehört auch Magdalene Schoch“, betonte Paul Busse, Vorstandsvorsitzender der Weichmann-Stiftung, zu Beginn der Veranstaltung. Im anschließenden Gespräch mit Susanne Wittek erzählte der Historiker Rainer Nicolaysen, Leiter der Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte an der Universität Hamburg, über Leben und Werk der couragierten Demokratin und stellte dabei die Geschichte einer ganz besonderen Spurensuche vor. Schoch wurde 1920 bei dem Völkerrechtler Albrecht Mendelssohn Bartholdy promoviert und ging anschließend als seine Assistentin mit ihm an die im Vorjahr gegründete Hamburgische Universität. 1932 habilitierte sie sich an dieser Universität als erste Frau in Rechtswissenschaft. Sie war dann in den folgenden Jahren – gemeinsam mit Mendelssohn Bartholdy – maßgeblich am Aufbau bedeutender Institutionen, u.a. des Instituts für Auswärtige Politik, beteiligt und als Privatdozentin in der Lehre tätig. Daneben war sie in bürgerlich-liberalen und sozialdemokratischen Frauenverbänden aktiv.
Auf die Aufforderung, der NSDAP beizutreten, reagierte sie 1937 mit der Kündigung ihrer Stelle an der Universität. Schon im Jahr 1933 war Mendelssohn Bartholdy nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ zwangsemeritiert worden. 1934 ging er nach England ins Exil. Magdalene Schoch, die selbst nicht jüdischer Herkunft war, wurde nun zunehmend isoliert, da sie Anpassungen an die Vorgaben des NS-Regimes verweigerte. Im Herbst 1937 emigrierte sie in die USA, ohne vorab zu wissen, welche berufliche Perspektive sie dort erwartete. „Das ist keine freiwillige Emigration gewesen“, meinte Nicolaysen, „aber eine ausgesprochen autonome Entscheidung.“ Magdalene Schoch habe hohe Ansprüche an sich selbst gehabt und habe sich der Humanität verpflichtet gefühlt. Das sei in der Weimarer Republik nicht selbstverständlich gewesen. Sie sei diesem Gedanken auch in der Zeit des Nationalsozialismus treu geblieben. Als die Aufforderung zum Beitritt in die NSDAP gekommen sei, hätten sich alle anderen Kollegen an der Universität auf die Antragsliste setzen lassen, Magdalene Schoch nicht. Insofern sei ihr Verhalten auch singulär an der Hamburger Universität gewesen.
Nach ihrer Ankunft in den USA gelang es ihr dank großer Tatkraft und Kompetenz, in US-amerikanischen Regierungsbehörden als Juristin Fuß zu fassen. 1943 wurde sie amerikanische Staatsbürgerin. Das Gespräch machte auch deutlich: An der Universität Hamburg war sie über Jahrzehnte hin weitgehend vergessen, und erst in den letzten Jahren konnte mehr über ihre Biografie in Erfahrung gebracht werden. 1987 starb Magdalene Schoch in Virginia/USA. Seit 1999 benennt die Universität Hamburg die Hörsäle in ihrem Hauptgebäude nach Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die in Hamburg wirkten und in der NS-Zeit vertrieben wurden. Seit 2006 trägt ein Hörsaal den Namen Magdalene Schochs. Am 13. Mai 2011 wurde im Rahmen eines Festaktes auch ein Hörsaal nach ihrem akademischen Lehrer Albrecht Mendelssohn Bartholdy benannt. Zeitgleich erschien eine von Rainer Nicolaysen herausgegebene Publikation mit dem Titel „Das Hauptgebäude der Universität Hamburg als Gedächtnisort“. Sie stellt sieben Porträts von in der NS-Zeit vertriebenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor.
Bei der Spurensuche nach Magdalene Schoch berichtete auch ihr Neffe, der 78-jährige US-amerikanische Jazzmusiker Lennie Cujé, im KörberForum über Leben und Werk seiner Tante. Zwischendurch trat er an das mitgebrachte Vibraphon und spielte Jazziges. Die Schauspielerin Katharina Schütz vervollständigte das historische Bild der selbstbewussten Frau, indem sie aus autobiografischen Notizen Magdalene Schochs las.
Eine gemeinsame Veranstaltung der Herbert und Elsbeth Weichmann-Stiftung und der Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte an der Universität Hamburg in Kooperation mit der Körber-Stiftung. Konzept, Umsetzung und Moderation: Susanne Wittek, Agentur Initiative Literatur.
Mitschnitt der Veranstaltung: