„Denken ohne Geländer“ – so nannte die amerikanische Journalistin und Wissenschaftlerin Hannah Arendt (1906-1975) ihr Vorgehen in der politischen Theorie. Sie prägte mit ihren Beiträgen zum „tätigen Leben“, zum Totalitarismus und zur „Banalität des Bösen“ den wissenschaftlichen und politischen Diskurs. Wegen ihrer jüdischen Herkunft war Arendt im nationalsozialistischen Deutschland bedroht. Angesichts der zunehmenden antisemitischen Ausschreitungen floh sie im September 1933 von Berlin ins Pariser Exil. Tief enttäuscht vom bereitwilligen Arrangement einiger intellektueller Freunde mit der menschenverachtenden NS-Ideologie, wandte sie sich der praktischen Sozialarbeit zu und half jüdischen Jugendlichen, sich auf die Auswanderung nach Palästina vorzubereiten. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde sie in Frankreich als „feindliche Ausländerin“ interniert. Nur knapp entkam sie gemeinsam mit ihrem Mann Heinrich Blücher aus dem von deutschen Truppen besetzten Land ins US-amerikanische Exil.
Dort konnte sie beruflich und sozial Fuß fassen. Mit wachsendem Erfolg lehrte sie an verschiedenen Universitäten politische Theorie. Unter dem Eindruck der Judenvernichtung in Europa verfasste sie ab 1942 ihre Studie „The Origins of Totalitarianism“, mit der sie 1951 weltberühmt wurde. Ihre zahlreichen Beiträge zur politischen Theorie, etwa ihr Buch „Vita activa oder Vom tätigen Leben“, weisen sie als unabhängige Denkerin aus, die sich weder von wissenschaftlichen Disziplinen noch von politischen Ideologien vereinnahmen ließ. Ihre Überlegungen, die auf der Auseinandersetzung mit Philosophen von der Antike bis zur Neuzeit beruhen, beeinflussen bis heute maßgeblich den demokratietheoretischen Diskurs.
Stets äußerte sie sich auch zu aktuellen politischen Fragen. Ihre klar formulierten Positionen polarisierten wiederholt die öffentliche Debatte. Scharf kritisierte sie die zögerliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen durch die Bundesrepublik Deutschland. Angesichts der Konflikte im Nahen Osten trat sie für eine israelisch-arabische Konföderation ein, jedoch konnte sie nur wenige Mitstreiter gewinnen. Ihr Bericht über den Gerichtsprozess in Jerusalem gegen Adolf Eichmann, den maßgeblichen Organisator des Völkermordes an den Juden, und ihre These von der „Banalität des Bösen“ entfachten anhaltende Kontroversen.
Im Gespräch mit Prof. Dr. Antonia Grunenberg, Gründerin und langjährige Leiterin des Hannah Arendt-Zentrums an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, stellt Susanne Wittek Leben und Werk der Philosophin vor. In kurzen Filmsequenzen ist Hannah Arendt selbst zu sehen. Aus ihren Texten und Briefen liest die Schauspielerin Katharina Schütz ausgewählte Passagen.
Susanne Wittek, Initiative Literatur, moderiert das Gespräch.
In Kooperation mit der Körber-Stiftung im Rahmen der Hamburger Stiftungstage.