Veranstaltungen

Konzert und Gespräch

30. Januar 2013 - 19:00 Uhr

30. Januar 1933 – Kulturbruch in Deutschland

KörberForumKehrwieder 12, 20457 Hamburg

Am 80. Jahrestag der Ernennung Adolf Hitlers zum Kanzler des Deutschen Reiches erinnerte das renommierte Klavierduo Friederike Haufe und Volker Ahmels an die kulturelle Vielfalt der Weimarer Republik, die die Nationalsozialisten unwiederbringlich zerstört haben. Die beiden Pianisten widmen sich seit vielen Jahren der Recherche und Wiederentdeckung von Komponisten, die vom NS-Regime ausgegrenzt und verfemt wurden. Sie führen ihr Publikum durch jene Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts, die von Verfolgung und Vertreibung gezeichnet ist. Jenseits des traditionellen Repertoires spielen sie vierhändig Werke der Komponisten Hans Gál, Erwin Schulhoff, Leo Smit, Ernst Toch und Paul Hindemith. Im Gespräch mit Susanne Wittek und Hamburger Schülern schilderten sie die Schicksale der stigmatisierten und verfemten Musiker im historisch-politischen Kontext. Ein verloren gegangenes Musikmilieu wurde so vor dem endgültigen Vergessen bewahrt.

Bis zum Machtantritt der Nationalsozialisten gab es im liberalen Kulturleben der Weimarer Republik verschiedene Musikrichtungen. Ihre Protagonisten begegneten einander ohne ideologische Berührungsängste und inspirierten sich gegenseitig bei der Weiterentwicklung ihrer Genres. Doch gleich nach ihrem Sieg bei der Reichstagswahl im März 1933 behindern die Nationalsozialisten Komponisten und Musiker der E-Musik-Avantgarde – der atonalen Musik und der Zwölfton-Musik –, des Jazz und des Swing gezielt an ihrer Berufsausübung. Sie verbaten Komponisten die Veröffentlichung und Aufführung ihrer Werke. Musiker, die beispielsweise in Schulen oder an Universitäten tätig waren, wurden ihrer Ämter enthoben, Orchester und Bands durften nicht mehr auftreten. Mit Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze 1935 galt für jüdische und ausländische Musiker ein generelles Auftrittsverbot. Für alle Betroffenen bedeutete dies, ihrer Existenzgrundlage beraubt zu sein.

Die Nationalsozialisten machten mit grotesken Behauptungen und Unterstellungen Propaganda gegen die verhasste Musik und diffamierten sie als »entartet«: Atonalität widerstrebe »dem Rhythmus des Blutes und der Seele des deutschen Volkes« und sei eine »Kulturverfallserscheinung wesentlich unter jüdischen Vorzeichen«. Dahinter vermuteten sie »Kräfte außermusikalischer Art als Drahtzieher« und ein politisches Programm, da – so die Argumentation – Anarchie in der Musik auch zu Anarchie im Staat führe. Viele Protagonisten der Avantgarde gingen ins Exil, andere wurden inhaftiert und ermordet.

Auch am Jazz fürchteten die Nationalsozialisten nicht nur die ungewohnte Rhythmik, die zu neuen körperbetonten Formen des Tanzes anregte, sondern weiterreichende außermusikalische Wirkungen. Denn mit ihrer Modernität, Urbanität und Ursprünglichkeit, mit der dirigentenlosen Jazzkapelle als Modell für Demokratie oder gar Kommunismus, stand die Jazzkultur für die Ablösung überkommener Normen und Werte des untergegangenen Kaiserreichs. Ähnliches galt für den Swing, dessen Anhänger einen ungezwungenen, vom American Way of Life beeinflussten Lebensstil pflegten. Beide U-Musikrichtungen wurden zum Austragungsort eines Generationen- und Kulturkonfliktes, den die Nationalsozialisten mit mörderischer Konsequenz ausfochten.

Nach der Begrüßung durch die Vorstandsvorsitzende der Herbert und Elsbeth Weichmann-Stiftung, Frau Dr. Ingrid Nümann-Seidewinkel übernahm Susanne Wittek in bewährter Manier die Moderation und verband die einzelnen Musikstücke mit kurzen, erläuternden Gesprächen mit Friederike Haufe und Volker Ahmels. Dabei zeigte sich deutlich, dass beide Musiker sich intensiv mit den Komponisten, deren Geschichte und den Musikstücken beschäftigt haben.

Zum Schluss erläuterten noch sieben Schülerinnen im Gespräch mit Susanne Wittek, wie wichtig sie das Thema finden und wie sie damit umgehen.

Die Veranstaltung über den vom NS-Regime herbeigeführten Kulturbruch in Deutschland fand im Rahmen einer Kooperation der Körber-Stiftung und der Herbert und Elsbeth Weichmann-Stiftung statt.

Frau Dr. Nümann-Seidewinkel
(Fotos: Körber-Stiftung / Claudia Höhne)
Susanne Wittek, Volker Ahmels und Friederike Haufe
7 Schülerinnen im Nachgang im Gespräch mit Susanne Wittek